2023 verlief aus wirtschaftlicher Sicht einiges besser, als man es vor Jahresfrist noch erwarten durfte. Zwar stiegen die Zinsen nochmals deutlich an, im März traten markante Instabilitäten im Bankensystem auf und im Oktober eskalierte die Gewalt auch im Nahen Osten. Trotz dieser negativen Einflüsse ist die Weltwirtschaft aktuell in vernünftigem Takt unterwegs. Das reale Wachstum liegt mit rund 3% nur leicht unter dem Durchschnitt der letzten Jahre. Die von vielen Beobachtern prognostizierte Rezession in den USA fand nicht statt und Chinas Wirtschaft ist trotz offenkundiger Probleme im Immobiliensektor nicht eingebrochen. In Europa präsentiert sich die konjunkturelle Lage derzeit am schwächsten, zur befürchteten Energiekrise kam es aber auch hier nicht. In der Zwischenzeit hat sich die Inflation in den Industrieländern von Monat zu Monat rückläufig entwickelt. Nach diesem markanten Rückgang befindet sie sich aktuell teilweise bereits wieder im Zielband oder nur noch unwesentlich darüber. Lagen die Teuerungsraten Anfang 2023 noch bei 9.4% (Europa), 6.4% (USA) und 2.8% (Schweiz), sanken diese bis Ende Jahr auf 2.4%, 3.1% und 1.4%. Bemerkenswerterweise fand diese Entwicklung bisher ohne nennenswerten Anstieg der Arbeitslosigkeit statt. Dennoch scheint sich die Balance auf dem Arbeitsmarkt verbessert zu haben und der Lohndruck abzunehmen. Die Medizin der Notenbanken – deutlich höhere Leitzinsen zur Bekämpfung der Inflation – zeigt offensichtlich die gewünschte Wirkung. Ein Grossteil des Weges zurück in Richtung Preisstabilität ist somit vollbracht
Diese makroökonomischen Fortschritte ermöglichten nach dem überaus schwachen Börsenjahr 2022 auch eine Stabilisierung an den Finanzmärkten. Das Tempo der Leitzinserhöhungen nahm im Jahresverlauf ab und fand im dritten Quartal mit dem letzten Zinsschritt der Europäischen Zentralbank wahrscheinlich sein Ende. Prägend war im 2023 besonders die aussergewöhnlich hohe Volatilität in der Entwicklung der langfristigen Zinsen. Die Zentralbanken steuern über die Leitzinsen das kurze Ende der Zinsstrukturkurve, während die langfristigen Zinsen durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage am Kapitalmarkt gebildet werden. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen zog zwischen Anfang Mai und Ende Oktober um nicht weniger als 1.6 Prozentpunkte an und erreichte schliesslich das stattliche Niveau von 5%. Das lange Ende zog mit anderen Worten im Verlauf des Jahres nach, die stark inverse Kurve verflachte sich. In dieser Phase sahen sich Obligationen[1]und Aktienkurse erneut starkem Gegenwind ausgesetzt. In den letzten beiden Monaten des Jahres lösten sich die Langfristzinsen dann aber wieder deutlich von ihren Höchstständen, was eine freundlichere Kursentwicklung ermöglichte. Die nachstehende Grafik verdeutlicht die ungewöhnlich grosse Dynamik in der Zinsstrukturkurve von amerikanischen Staatsanleihen, die einen erheblichen Einfluss auf die Bewertung praktisch aller Vermögenswerte ausübt.
Prägender Einfluss der glorreichen Sieben
Die Schweiz bildete diesbezüglich eine Ausnahme. Hierzulande entwickelten sich die Langfristzinsen das ganze Jahr über rückläufig. Dies verlieh den Obligationen[1]preisen Auftrieb, wobei insbesondere das Segment der längeren Laufzeiten profitierte. Weil gleichzeitig auch der Aktienmarkt zulegen konnte, resultierten für die beiden wichtigsten Anlageklassen positive Renditen im einstelligen Prozentbereich.
Im internationalen Vergleich blieb der Schweizer Aktienmarkt aber deutlich zurück. Sowohl der europäische als auch der japanische Markt konnten währungsbereinigt stärker zulegen, während der amerikanische Aktienmarkt zum Zeitpunkt dieses Schreibens einmal mehr an erster Stelle stand. Augenfällig war allerdings die fehlende Breite des amerikanischen Marktes. Die «Magnificent Seven» – bestehend aus Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Nvidia, Meta und Tesla – übten einen prägenden Einfluss auf das positive Ergebnis aus. Diese Tech-Megacaps verzeichneten im vergangenen Jahr nicht nur eine weit überdurchschnittliche Gewinnentwicklung, sondern profitierten darüber hinaus auch am stärksten von den Wachstumsfantasien im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI).
Prägender Einfluss der glorreichen Sieben
Die oben stehende Grafik zeigt die Entwicklung der glorreichen Sieben im Vergleich zum Rest des amerikanischen Aktienmarktes über die letzten Jahre. Nach den starken Kursavancen fällt ihre Bewertung mittlerweile stattlich aus. Die Zukunft wird zeigen, ob sie die hohen Erwartungen rechtfertigen können. Wir rechnen damit, dass ähnlich wie bei anderen Innovationen in der Vergangenheit die Fortschritte im Bereich KI im Laufe der Zeit zu breiten Produktivitätssteigerungen führen und dadurch auch anderen Branchen Rückenwind verleihen werden
Vor einem Jahr standen zwei Fragen zur Leitzinsentwicklung im Mittelpunkt: Wie hoch? Für wie lange? Die Antwort auf die erste Frage liegt inzwischen vor. Falls nicht plötzlich eine Trendumkehr in der Teuerung stattfindet, dürfte der Zinsgipfel hinter uns liegen. Die Antwort auf die zweite Frage hingegen steht noch aus. Trotz beachtlicher Fortschritte ist das Ziel der Preisstabilität noch nicht ganz erreicht. In den USA und Europa kaschiert die Gesamtinflation die nach wie vor erhöhten Niveaus der Kerninflation. Die Notenbanken mussten viel Kritik einstecken, zu spät auf den Anstieg der Inflation reagiert zu haben. Weil sie die in Griffweite scheinende Preisstabilität nicht erneut aus der Hand geben wollen, dürften sie mit frühen Zinssenkungen vorsichtig sein. Es könnte mehr Geduld brauchen, als es die Märkte derzeit erwarten. Im Verlauf des Jahres ist dennoch mit ersten Senkungen zu rechnen, denn Geldpolitik auf dem aktuellen Niveau ist zweifelsohne restriktiv. Schuldner mit Refinanzierungsbedarf spüren dies direkt. Auslaufende Festhypotheken führen zu Einschnitten beim verfügbaren Einkommen von privaten Haushalten, sodass weniger für den Konsum übrig bleibt. Auch für Unternehmen führt die Refinanzierung fälliger Verbindlichkeiten zu höherem Zinsaufwand. Das geht zu Lasten der Profitabilität und steigert die Hürden für Investitionsprojekte. Neben dieser gewünschten Bremswirkung birgt die Medizin höherer Leitzinsen mit zunehmender Dauer die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen in der Form von unkontrollierten Zusammenbrüchen. Die Instabilitäten im Bankensystem waren ein Beispiel dafür. Wer mit viel Fremdkapital unterwegs ist und auf ein Geschäftsmodell baut, das auf Gratisgeld angewiesen ist, wird im neuen Umfeld nicht lange überleben. Je länger die Zinsen auf restriktivem Niveau bleiben, desto grösser ist die Gefahr solcher Unfälle. Erstmals seit 2008 verfügen die Notenbanken nun aber wieder über geldpolitischen Handlungsspielraum, der auch Zinssenkungen erlaubt. Das zentrale Ereignis dafür war die Pandemie, ein beispielloser Schock für die Weltwirtschaft mit markanten Verschiebungen im Konsumverhalten. Ein Teil der Wirtschaft kam zum Stillstand und war auf Hilfe angewiesen, während andere Sektoren von einem Nachfrageschub überrollt wurden, den sie kaum bedienen konnten. Diese eklatanten Ungleichgewichte standen am Ursprung des Inflationsschubs. Bei allem Leid und der grossen ökonomischen Unsicherheit, die dieser Schock mit sich brachte, kann man ihm auch einen positiven Aspekt abgewinnen: Er schüttelte die Industrieländer aus der Lethargie und ebnete den Weg aus der künstlichen Welt des Gratisgeldes. 15 Jahre dauerte die Phase des geldpolitischen Experiments. Die Befürchtung war gross, dass der Rest der industrialisierten Welt dem Beispiel Japans folgen könnte, das schon zwei Jahrzehnte länger in dieser Spirale gefangen ist. Nun hat sich das Blatt gewendet und die Anzeichen verdichten sich, dass die Nullzinspolitik selbst in Japan enden könnte. Der Ausweg aus der künstlichen Welt war ruppig und schmerzhaft. Unter dem Strich ist die Normalisierung der Verhältnisse aber eine positive Entwicklung, die von der Wirtschaft bisher erstaunlich gut verkraftet wurde
Aus Sicht der Anlegerinnen und Anleger ist diese Normalisierung erfreulich, da es neben Dividenden aus Beteiligungen auch für die Leihe von Kapital wieder Zins zu verdienen gibt. Bei der Auswahl der Anlagen fokussieren wir uns auf Qualität. Dies gilt sowohl für Aktien- als auch für Obligationenanlagen. Wir selektieren gesunde Unternehmen, die mit höheren Zinsen leben können, und achten auf eine breite Diversifikation, sowohl geografisch als auch nach Branchen. Der Anlageschwerpunkt im Heimmarkt Schweiz wirkt aufgrund des defensiven Charakters des Marktes stabilisierend. Das vergangene Jahr hat aber auch den Nutzen internationaler Diversifikation erneut unter Beweis gestellt. Obwohl es am Schweizer Markt erfreulicherweise überdurchschnittlich viele global erfolgreiche Unternehmen gibt, sucht man Tech-Megacaps vergeblich. Unsere Kundschaft konnte von der beschriebenen Entwicklung profitieren, da wir mittels Indexanlage in den amerikanischen Markt investieren. Mit Blick auf die geopolitischen Unsicherheiten mit den beiden Kriegen, der Rivalität zwischen den USA und China und dem Damoklesschwert einer Invasion Chinas in Taiwan verbreitern wir die Diversifikation zusätzlich und mischen Anlagen bei, die in Stressphasen als sichere Häfen besonders gefragt sind. Dazu gehören neben Gold auch Obligationen allerbester Qualität. Schliesslich behalten wir den Fokus auf der disziplinierten Umsetzung der langfristigen Anlagestrategie und lassen uns durch kurzfristige Schwankungen nicht ablenken. Die nächste Rezession wird irgendwann kommen, wann ist ungewiss. Gewiss ist jedoch, dass ein drastisches Variieren der Aktienquote in Antizipation künftiger Entwicklungen dem langfristigen Anlageerfolg schadet.
Gerne stellen wir Ihnen mit Geberit ein Unternehmen vor, das unsere Selektionskriterien für eine Kernanlage in einem diversifizierten Wertschriftenportfolio erfüllt.