Verlässliche
Stabilität

Meinung


Seit rund einem Jahr bewegt sich die Inflation in der Schweiz wieder im Zielband von null bis zwei Prozent. Die frühe Rückgewinnung der Preisstabilität verschaffte der Schweizerischen Nationalbank (SNB) den nötigen Spielraum, um den Zinssenkungszyklus als erste der G-10-Zentralbanken einzuleiten.

In der Vergangenheit wurden geldpolitische Richtungswechsel häufig von der US-amerikanischen Zentralbank (Fed) angestossen. Nach dem deutlichen Rückgang der Inflation seit Herbst 2022 sind die Fortschritte in der Inflationsbekämpfung in den USA jedoch ins Stocken geraten. Die US-Wirtschaft sorgte in den letzten 18 Monaten immer wieder für positive Überraschungen und entwickelte sich ausserordentlich widerstandsfähig. Die von vielen erwartete Rezession als Folge des steilen Zinsanstiegs ist bisher ausgeblieben. In den USA dürfte es daher noch einige Monate dauern, bis erste Leitzinssenkungen möglich sind. Jedenfalls ist deutlich mehr Geduld erforderlich, als die Finanzmärkte noch zu Jahresbeginn eingepreist hatten.

Die divergierende Geldpolitik spiegelt sich mittlerweile auch in der Wechselkursentwicklung wider. Die langfristige Aufwertung des Schweizer Frankens legte im ersten Halbjahr eine Pause ein. Gegenüber den meisten Währungen verlor der Franken einige Prozentpunkte an Wert. Der Euro beispielsweise näherte sich zwischenzeitlich der Parität, korrigierte aber nach den Wahlen des Europäischen Parlaments wieder.

Geldpolitisches Mandat der SNB:
Gewährleistung der Preisstabilität


Die SNB leistet einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität der Schweizer Volkswirtschaft. Ihr Auftrag ist im Nationalbankgesetz verankert. Sie hat die Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen und die Preisstabilität zu gewährleisten. Dabei hat sie auch der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Sie agiert dabei unabhängig im Auftrag eines kleinen Landes mit einer eigenen Währung und einer offenen, international stark vernetzten Volkswirtschaft. In den letzten zwei Jahrzehnten war dies eine besonders delikate Aufgabe, da die Weltwirtschaft etliche Schocks absorbieren musste. Zudem gilt der Schweizer Franken aufgrund der stabilen politischen Verhältnisse und der im relativen Vergleich hohen fiskalpolitischen Disziplin als sicherer Hafen, der in Krisenzeiten Kapitalströme anzieht. Die Wechselkursentwicklung erforderte daher wiederholt besondere Aufmerksamkeit und führte zu unkonventionellen Entscheiden, die mit erheblichen Risiken verbunden waren. Meist musste die SNB auf äussere Einflüsse reagieren. Nur selten war Spielraum für eine agierende Rolle wie aktuell gegeben.
 

Die untenstehenden Grafiken veranschaulichen einige zentrale geldpolitische Zusammenhänge. Sie zeigen die Entwicklung der Inflation, der Leitzinsen und der Wechselkurse seit dem Jahr 2000 für die Schweiz, die Eurozone und die USA sowie weiter unten die Entwicklung und die Zusammensetzung der Aktivseite der SNB-Bilanz.

Auf den ersten Blick zeigt sich, dass die Nationalbank in Bezug auf ihr oberstes Ziel, die Gewährleistung der Preisstabilität, gute Arbeit geleistet hat. Der Inflationsschub der letzten Jahre fiel in der Schweiz deutlich weniger heftig aus als in Europa oder in den USA. Mit Blick auf die jährlichen Teuerungsraten darf nicht vergessen werden, dass die Inflation über die Zeit kumulativ wirkt. Seit 2020 ist das Preisniveau in der Schweiz um insgesamt 7% angestiegen. In Europa und den USA hingegen beläuft sich der kumulative Effekt für den gleichen Zeitraum auf nicht weniger als 21%, mit gravierenden Folgen für die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger. Der starke Schweizer Franken hat in dieser Phase einen wichtigen Beitrag zur Dämpfung der importierten Inflation geleistet. Aus realer, sprich kaufkraftbereinigter Sicht hat sich der Aussenwert in den letzten vier Jahren allerdings nicht mehr wesentlich aufgewertet. Dies war vor dem Inflationsschub anders. Damals war die reale Aufwertung des Frankens eine grosse Herausforderung.
 

Geldpolitische Zusammenhänge

1) Jährliche Inflationsrate

2) Leitzinsen

3) Nominelle Wechselkurse

FINANZKRISE ALS GROSSE ZÄSUR


Nicht nur, aber vor allem in der internationalen Geldpolitik stellte die globale Finanzkrise ab 2007 eine grosse Zäsur dar. Im Zuge der Krisenbewältigung hat sich die Rolle der Notenbanken deutlich ausgeweitet. Sie reagierten zunächst mit raschen Leitzinssenkungen bis gegen null und griffen dann zu unkonventionellen Massnahmen wie der quantitativen Lockerung, dem Kauf längerfristiger Anleihen zur Erhöhung der Liquidität. Mit dem Verschwinden der gewohnten Zinsdifferenz geriet der Schweizer Franken unter Aufwertungsdruck, der sich mit der nahtlos folgenden Schuldenkrise in Europa nochmals deutlich verstärkte. Der nominelle Wert des Frankens erstarkte gegenüber dem wichtigsten Handelspartner innerhalb von weniger als vier Jahren um ein Drittel. Da eine derart rasche Aufwertung für viele exportorientierte Unternehmen eine ernsthafte Bedrohung darstellte, die für die Schweizer Wirtschaft als Ganzes das Risiko einer deflationären Entwicklung barg, sah sich die SNB zu drastischen Schritten gezwungen.
 

WECHSELKURSUNTERGRENZE UND NEGATIVZINSEN

Am 6. September 2011 kündigte die SNB an, eine deutliche und dauerhafte Abschwächung des Frankens anzustreben und zu diesem Zweck am Devisenmarkt zu intervenieren. Konkret tolerierte sie ab diesem Zeitpunkt keine Kurse mehr unter dem Mindestkurs von 1.20 Franken pro Euro. Damit verpflichtete sie sich indirekt, unbeschränkt Fremdwährungen gegen Schweizer Franken zu kaufen. Diese Devisenreserven sind neben Gold traditionell der wichtigste Aktivposten in der Bilanz der SNB. Die untenstehende Grafik zeigt, dass die Devisenreserven bereits seit 2009 deutlich anstiegen.
 

4) SNB-Bilanz

Im Herbst 2014 verschärfte sich die Situation dann erneut, als die Europäische Zentralbank ihren Einlagensatz noch zweimal senkte und damit in den negativen Bereich drückte. Die nun sogar negative Zinsdifferenz war absolut untypisch und verstärkte den CHF-Aufwertungsdruck weiter. Im letzten Quartal spülte es der SNB deshalb weitere rund CHF 40 Mrd. Devisenreserven in die Bilanz. Da auch die Senkung des Leitzinses auf minus 0.25% die Flut nicht stoppen konnte, überraschte die Nationalbank die Finanzmärkte am 15. Januar 2015 mit der Ankündigung, den Mindestkurs per sofort aufzuheben. Gleichzeitig senkte die SNB den Leitzins nochmals um 50 Basispunkte und stellte damit die gewohnte Zinsdifferenz wieder her. Zudem signalisierte sie ihre Bereitschaft, bei Bedarf weiter am Devisenmarkt aktiv zu bleiben. Dies war offensichtlich auch nötig, denn die Devisenreserven verdoppelten sich erneut und erreichten im Mai 2022 einen Höchststand von CHF 960 Mrd. Ein Wert, der die jährliche Wirtschaftsleistung der Schweiz (ca. CHF 800 Mrd.) deutlich übersteigt. Gemessen an der Grösse der Volkswirtschaft erreicht die SNB-Bilanz im internationalen Vergleich einen Spitzenwert. Die Bilanz dient der SNB zur Erfüllung ihres Auftrags und ist letztlich eine Residualgrösse für die Zielerreichung. Dennoch dürfte die SNB nicht unglücklich darüber sein, dass die Normalisierung der Geldpolitik in den letzten zwei Jahren einen aktiven Abbau der angehäuften Devisenreserven um rund CHF 250 Mrd. erlaubte.

Zusammensetzung der Währungsreserven


Die Zusammensetzung der Bilanz der SNB unterscheidet sich deutlich von derjenigen anderer Zentralbanken. In den USA, Europa oder Japan haben die Zentralbanken im Rahmen der quantitativen Lockerungsprogramme vor allem eigene Staatsanleihen und inländische Wertpapiere erworben. Die Anhäufung von Devisenreserven mit dem Ziel der Schwächung des Schweizer Frankens muss jedoch per Definition in ausländischen Vermögenswerten stattfinden. Die Devisenreserven der SNB setzen sich zu 25% aus ausländischen Aktien und zu 75% aus ausländischen Anleihen zusammen, wobei der überwiegende Teil davon in liquiden Staatsanleihen parkiert ist. Diese Anlagen sind erheblichen Wertschwankungen unterworfen und führen je nach Kursentwicklung zu enormen Gewinnen und Verlusten. Die Verluste der letzten Jahre haben zuletzt zwei mal eine Ausschüttung an die Kantone verunmöglicht. Im ersten Quartal dieses Jahres hingegen führten der schwache Franken und die steigenden Aktienkurse zu einem Rekordgewinn von CHF 59 Mrd.

Die Ausführungen zeigen, dass die Gewährleistung der Preisstabilität für die SNB in den letzten Jahren alles andere als eine einfache Aufgabe war und etliche unkonventionelle Schritte erforderte, die mit erheblichen Risiken verbunden waren. In der aktuellen Konstellation legt die langfristige Aufwertung des Frankens eine Verschnaufpause ein. Mittel- bis langfristig ist allerdings damit zu rechnen, dass die stabilen Verhältnisse der Schweiz der Heimwährung strukturell weiter Auftrieb verleihen werden.

Portfolioimplikationen

Verlässliche
Stabilität

Preisstabilität und eine starke Währung sind für uns als Konsumentinnen und Konsumenten ein Segen und tragen zur Erhaltung der Kaufkraft und damit zum Wohlstand in unserem Land bei.