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Meinung

Im August durchliefen die Finanzmärkte eine Phase, die an ein plötzliches Sommergewitter erinnerte: Was zunächst ruhig und stabil erschien, verwandelte sich innerhalb weniger Stunden in erhebliche Turbulenzen. Doch wie ein Gewitter, das ebenso plötzlich abzieht, beruhigten sich die Märkte bis Ende August wieder merklich. Wer zwei Wochen in den Sommerferien war, dürfte nicht mal etwas davon mitbekommen haben.

Der abrupte Stimmungsumschwung war dennoch bemerkenswert, besonders in Japan, das im Zentrum des Gewittersturms stand. Der japanische Aktienmarkt verlor in den ersten drei Handelstagen des Monats stattliche 20%. Der Nikkei 225 gab allein am 5. August um mehr als 12% nach – ein aussergewöhnlicher Rückgang für eine Indexreihe. Die Turbulenzen waren aber nicht auf Japan beschränkt. Auch der Weltaktienmarkt sackte aus Schweizer-Franken-Optik um 10% ab, während der Schweizer Markt mit seinen defensiven Schwergewichten deutlich weniger stark korrigierte. Was könnten mögliche Auslöser für die heftigen Kursausschläge gewesen sein und wie sind diese Turbulenzen einzuordnen?

Erste Gewitterwolken zogen Mitte Juli auf, als das Eskalationsrisiko im Nahostkonflikt weiter zunahm und einige Unternehmensergebnisse enttäuschten. Als unmittelbarer Auslöser für die Korrektur erschienen auf den ersten Blick die schwachen Zahlen vom US-Arbeitsmarkt, die eine Abkühlung der US-Wirtschaft anzeigten und Rezessionsängste schürten. Vieles deutet jedoch darauf hin, dass die divergierende Geldpolitik Japans eine zentrale Rolle spielte. Durch die plötzliche Auflösung von Zinsdifferenzspekulationen, sogenannten Carry-Trades, manifestierten sich vor allem endogene Risiken.
 

Plötzliche Volatilitätsexplosion


Der japanische Yen galt aufgrund der tiefen Zinsen schon immer als beliebte Währung zur Schuldenaufnahme im Rahmen von Carry-Trades. Da viele Zentralbanken in den letzten Jahren die Zinsen deutlich angehoben haben, während die Bank of Japan (BoJ) ihre Leitzinsen im negativen Bereich hielt, nahm die Attraktivität von Yen-Carry-Trades mit der steigenden Zinsdifferenz weiter zu. Ausserdem trug der chronisch schwache Yen das Seine zu stattlichen Renditen bei. Wenn eine Handelsstrategie über längere Zeit attraktive Renditen abwirft, zieht dies unweigerlich weiteres Kapital an. Solcher «Einbahnverkehr» kann gefährlich werden, wenn plötzlich alle gleichzeitig die Richtung wechseln und den Ausgang suchen.

Was ist ein Carry-Trade?


Ein Carry-Trade ist eine spekulative Handelsstrategie, bei der Marktteilnehmer Kapital in einer Währung mit niedrigen Zinsen aufnehmen und dieses in einer Währung mit höheren Zinsen anlegen oder in Vermögenswerten mit höherer Renditeerwartung parkieren. Mit dieser Strategie lassen sich hohe Gewinne erzielen, solange die Wechselkurse stabil bleiben. Allerdings ist sie gleichzeitig mit erheblichen Risiken verbunden: Wenn die Niedrigzinswährung plötzlich aufwertet, können die erwarteten Gewinne schnell schrumpfen oder sogar in Verluste umschlagen. Der Einsatz von Fremdkapital verringert dabei wie immer die Fehlertoleranz und kann in turbulenten Zeiten gravierenden Schaden anrichten. Carry-Trades sind nicht nur im Devisenhandel beliebt, auch in Hedgefonds und Trendfolgestrategien gelangen sie zum Einsatz.

Genau das geschah Anfang August. In diesem Jahr hat auch die BoJ mit deutlicher Verzögerung zwei Zinserhöhungsschritte vollzogen, den zweiten überraschend am 31. Juli 2024. Diese Erhöhungen fallen in eine Phase, in der etliche Notenbanken den Zinssenkungszyklus bereits wieder gestartet haben. Diese divergierende Geldpolitik hat zu einem abrupten Trendbruch in der Wechselkursentwicklung geführt. Der Yen wertete sich innert kürzester Frist deutlich auf, was zu Verlusten bei Carry-Trades führte und viele Marktteilnehmer zwang, ihre Positionen aufzulösen. Dies wiederum verlieh dem Yen weiteren Auftrieb und brachte japanische Aktien unter Druck. Obwohl Japan weit entfernt scheint, spielt es als grösster Gläubiger der Welt eine bedeutende Rolle auf den internationalen Kapitalmärkten. Kein Land besitzt mehr ausländische Vermögenswerte als Japan. Plötzliche Veränderungen in der Wechselkursentwicklung und der Zinslandschaft, die zum Abbau von Positionen zwingen, können deshalb auch Auswirkungen auf weit entfernte Märkte haben. Die schnelle Erholung stützt die These, dass die Korrektur vor allem auf technische, sich selbst verstärkende Faktoren rund um einen Trendbruch zurückzuführen war und weniger fundamentale Ursachen hatte. Nicht zum ersten Mal folgt eine solche Volatilitätsexplosion auf eine längere Phase der relativen Ruhe. Regelbasierte Handelsstrategien können in solchen Momenten Kursausschläge deutlich verstärken. Wir vermuten, dass der Einsatz von künstlicher Intelligenz diese Tendenz weiter intensivieren wird, was ähnliche Episoden auch in Zukunft wahrscheinlich macht.

Aussergewöhnlich heftige Kursschwankungen stellen für Marktteilnehmer, die ihre Anlagen hauptsächlich über Fremdkapital finanzieren (Leverage), eine existenzielle Gefahr dar. Sind nicht mehr genügend Sicherheiten vorhanden, erfolgt eine Nachschussforderung (Margin-Call). Kann diese nicht erfüllt werden, führt dies zwangsläufig zu einer forcierten Glattstellung von Positionen. Angesichts der zweistelligen Tagesbewegung im Nikkei überrascht es, dass bisher keine Schlagzeilen über den finanziellen Zusammenbruch von gehebelten Vehikeln aufgetaucht sind.
 

Stabiles Fundament zum Schutz des Vermögens
 

Technisch induzierte Überreaktionen nach Trendbrüchen stellen endogene Risiken dar, die zu den Finanzmärkten dazugehören. Sie sind schwer fassbar und strapazieren möglicherweise die Nerven, können gleichzeitig aber auch neue Chancen eröffnen. Für langfristig orientierte Anlegerinnen und Anleger mit einem diversifizierten Wertschriftenportfolio und einem Fokus auf Qualität stellen plötzliche Volatilitätsexplosionen jedenfalls keine unmittelbare Gefahr dar. Voraussetzung dafür ist ein klarer Plan in der Form einer Anlagestrategie, die optimal auf die individuellen Umstände und Bedürfnisse abgestimmt ist. Auf dem Weg zum Schutz und der langfristigen Mehrung des Vermögens bildet die Strategie das notwendige stabile Fundament, das den Turbulenzen standhält. Eine massgeschneiderte Anlagestrategie regelt die Aufteilung des Gesamtvermögens auf verschiedene Anlageklassen und berücksichtigt dabei den gesamten finanziellen Kontext. Dazu zählen nicht nur das Wertschriftenportfolio, sondern auch selbstbewohnte Immobilien, gebundene Vorsorgegelder in der zweiten und dritten Säule sowie Liquiditätsreserven auf verschiedenen Bankkonten.
 

Vermögenswerte lassen sich in zwei Gruppen unterteilen, die unterschiedliche Eigenschaften und Funktionen im Gesamtkontext des Portfolios übernehmen. Flüssige Mittel und Obligationen gehören zu den Nominalwerten. Sie stellen nominelle Forderungen dar und bieten eine Entschädigung in Form von Zinszahlungen. Nominalwerte mit guter Bonität und überblickbaren Restlaufzeiten gewährleisten vor allem Flexibilität. Dank den geringen Wertschwankungen eignen sie sich zur Deckung absehbarer Verpflichtungen und zur Absicherung von finanziellen Notfällen. Ausserdem tragen sie zur Stabilisierung der Gesamtvermögensentwicklung bei. Da Nominalwerte jedoch nicht gegen Inflation geschützt sind, eignen sie sich weniger für den langfristigen Erhalt und die Mehrung der Kaufkraft.

Anlageklassen und deren Funktionen

Quelle: Eigene Darstellung
Quelle: Eigene Darstellung

Die Funktion der langfristigen Sicherung der Kaufkraft übernehmen die Realwerte, zu denen vor allem Aktien, Immobilien und Gold zählen. Realwerte bieten höhere Renditeerwartungen, unterliegen jedoch auch grösseren Wertschwankungen. Sie sind daher nur für Vermögensreserven geeignet, die mittel- bis langfristig zur Verfügung stehen und nicht für andere Verwendungszwecke vorgesehen sind.

Für den langfristigen Vermögensaufbau gilt der Grundsatz: so wenig Nominalwerte wie nötig und so viele Realwerte wie möglich. Bei der Planung der nötigen Nominalwertquote ist allerdings grösstmögliche Sorgfalt geboten. Finanzielle Reserven, die in den nächsten fünf Jahren benötigt werden, sollten keinesfalls den Wertschwankungen ausgesetzt werden, die eine Investition in Realwerte zwangsläufig mit sich bringt.


Verzicht auf Experimente


Es ist entscheidend, die Funktion der verschiedenen Anlageklassen und ihren Zweck im Gesamtkontext des Portfolios stets im Auge zu behalten – besonders im neuerlich veränderten Zinsumfeld. Mit den Leitzinssenkungen entwickeln sich auch die Obligationenrenditen rückläufig. Reinvestitionen erfolgen zu tieferen Zinsen als vor einem Jahr. Angesichts der eher mageren Verzinsung ist die Versuchung gross, Nominalwerte durch «alternative Anlagen» zu ersetzen. Dem Erfindungsreichtum der Finanzbranche sind dabei keine Grenzen gesetzt. Es gibt unzählige Angebote mit Handelsstrategien in unterschiedlichsten Verpackungen, die eine mit Obligationen vergleichbare Stabilität bei gleichzeitig höheren Renditen versprechen. Nicht immer sind die eingegangenen Risiken dabei offensichtlich erkennbar.

Der wahre Nutzen der Nominalwerte besteht allerdings nicht in erster Linie im Renditebeitrag, sondern in der Gewährleistung von Flexibilität. Aus diesem Grund widerstehen wir in unserer Vermögensverwaltung diszipliniert allen Versuchungen und verzichten wie bis anhin konsequent auf Experimente. Bei Privatmarktanlagen (Private Equity, Private Debt) ist das Kapital für längere Zeit blockiert. Sie sind nicht liquide handelbar und können deshalb unmöglich Flexibilität bieten. Dasselbe gilt auch für Hedgefonds, denen es für unseren Geschmack ausserdem an der nötigen Transparenz mangelt. Ähnlich wie strukturierte Finanzprodukte bieten sie oft asymmetrische Risikoprofile, die bei schönem Wetter Stabilität bieten, bei heftigen Gewittern aber verletzlich sind.

Beim Einsatz von Bankerfindungen ist die Gefahr gross, dass entweder enttäuschte Erwartungen zurückbleiben oder im schlimmsten Fall sogar finanzielle Unfälle resultieren. Deshalb werden wir sie weiter meiden und unseren bewährten Weg gehen: Basierend auf dem stabilen Fundament einer massgeschneiderten Anlagestrategie investieren wir die uns anvertrauten Vermögen direkt in Obligationen und Aktien von sorgfältig selektierten Unternehmen aus der Realwirtschaft und mischen zur Diversifikation Gold bei.

Portfolioimplikationen

Stabiles
Fundament

Gerne stellen wir Ihnen an dieser Stelle zwei Anlagemöglichkeiten vor, die von den beschriebenen Wachstumsimpulsen profitieren und unsere Selektionskriterien für ein diversifiziertes Wertschriftenportfolio erfüllen.